Navigation auf uzh.ch
Die Norrie Krankheit (OMIM 310600) ist eine X-chromosomal rezessiv vererbte Form angeborener Blindheit, die mit progressiver Schwerhörigkeit und in manchen Fällen mit geistiger Behinderung, Verhaltensauffälligkeiten bzw. peripheren Gefässkrankheiten (Krampfadern, Veneninsuffizienz) einhergeht. Sie wird durch Mutationen im NDP (Norrie disease pseudoglioma) -Gen verursacht.
Die meisten NDP Mutationen (77%) führen zur klassischen, oben erwähnten Symptomatik. Allerdings sind Mutationen in diesem Gen auch mit einer Reihe anderer rezessiver und sporadischer Vitreoretinopathien assoziiert worden, einschliesslich (familiärer) exsudativer Vitreoretinopathie (FEVR, OMIM 305390), Frühgeborenenretinopathie (ROP, Grad 4b/5) und Morbus Coats (OMIM 300216). In einer geringen Anzahl von Fällen (~7%) wurden auch noch weitere Symptome beschrieben wie progressive Dyspnoe, pulmonale Hypertonie, plötzlicher Tod, psychomotorische Retardierung, myoklonische Epilepsie sowie Immundezizienz. Die grosse klinische Variabilität selbst zwischen verwandten Patienten, die dieselbe Mutation tragen, deutet auf eine mögliche Beteiligung weiterer modifizierender Krankheits-Faktoren oder Gene hin.
Wir haben ein langfristiges Forschungsinteresse an der Norrie Krankheit. Mittels Positionsklonierung haben wir 1992 das verantwortliche Gen und Punktmutationen identifiziert sowie 1996 ein Mausmodell etabliert. Detaillierte Untersuchungen an dieser knockout Mauslinie ergaben grosse Ähnlichkeiten zur Symptomatik in Auge und Ohr bei betroffenen Patienten.
Es wurde gezeigt, dass Norrin ein Ligand des Wnt-Rezeptors Frizzled-4 (FZD4) und seiner Korezeptoren LRP5 (low density lipoprotein receptor-related protein 5) sowie TSPAN12 (Tetraspanin-12) ist. Dieser Ligand-Rezeptor-Komplex steuert die Blutgefässentwicklung in der Netzhaut (Retina), wahrscheinlich durch die Stimulation der Zellteilung von Endothelzellen, wie unsere eigenen Arbeiten kürzlich gezeigt haben. In unserer Forschungsgruppe konzentrieren wir uns auf die Untersuchung der molekularen Pathophysiologie, insbesondere in Hinsicht auf die Defekte des retinalen Blutgefässsystems. Zu diesem Zweck haben wir ein knockout Mausmodell entwickelt, das der humanen Norrie Krankheit in Auge und Ohr gleicht. Wir analysieren die frühe Entwicklung und den Verlauf der Krankheit auf molekularer Ebene, z.B. durch Untersuchungen der Gen- und Proteinexpression (quantitative RT-PCR, Western blots, Immunhistochemie). Desweiteren erforschen wir die Wirkung von rekombinant hergestelltem Protein in Zellkulturexperimenten und während der Angiogenese.
Darüber hinaus verwenden wir humane induzierte pluripotente Stammzellen (hiPSC's), um Organoidkulturen zu etablieren. Ziel dieses Projekts ist es, sowohl Wildtyp- bzw. CRISPR/Cas9-editierte Organoide, als auch Endothelzellen und HUVECs (Human Umbilical Vein Endothelial Cells) zu verwenden, um die der Pathologie zugrunde liegenden molekularen Mechanismen zu untersuchen. Dabei kommen Techniken wie quantitative RT-PCR, RNA-Sequenzierung (einschliesslich Einzelzellsequenzierung), Expression von rekombinanten Wildtyp- und mutierten Norrin-Proteinen und deren anschliessende Aufreinigung sowie Immunzytochemie zum Einsatz.
Klinisch-genetische Tests für die Norrie Krankheit und exsudative Vitreoretinopathie (FEVR) bieten wir durch direkte Sequenzierung folgender Gene an: ATOH7, FZD4, KIF11, LRP5, NDP, TSPAN12 und ZNF408. Norrin wird vom NDP Gen kodiert und ist ein Ligand des Rezeptorkomplexes bestehend aus FZD4, LRP5 und TSPAN12. Mehr Informationen zum funktionellen Zusammenhang dieser 4 Gene sind verfügbar unter: exudative vitreoretinopathies. Weitere Informationen zur Diagnostik können Sie auf unseren entsprechenden Seiten zur Gendiagnostik finden.
UNSER TEAM
Wolfgang Berger (PhD)
Silke Feil
Samuel Koller (PhD)
Kevin Maggi